«Mieterinnen und Mieter sind unsere wichtigsten Kunden»
Beat Walti, Präsident des Verband Immobilien Schweiz VIS, Nationalrat FDP ZH legt dar, wie private Investoren den steigenden Wohnungsbedarf decken können: Gesetze und Vorschriften müssen national, kantonal und in den Gemeinden auf ein vernünftiges Mass beschränkt und Bewilligungsverfahren vereinfacht werden. Staatliche Hilfe soll wirklich Bedürftigen gezielter zugutekommen und ein Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand darf es nicht geben.
Beat Walti, Sie sassen Mitte Mai am «Runden Tisch» zur Situation am Wohnungsmarkt. Wo machen Sie Handlungsbedarf aus?
«Wir könnten alles kleinreden und sagen: Es stehen schweizweit immer noch 1,3 Prozent aller Wohnungen leer; wo ist das Problem? Als Präsident des Verbandes der Immobilieninvestoren könnte ich einfach wiederholen, was seit Jahren gefordert wird: Es braucht bessere Rahmenbedingungen für die Immobilieninvestoren. So simpel ist es indes nicht. Es gibt in Zentren heute Wohnungsknappheit, nicht Wohnungsnot. Handlungsbedarf besteht vorab in vier Bereichen: Im Bereich der Raumplanung, bei den zu langen und zu komplizierten Baubewilligungsverfahren, bei der nicht genügend stattfindenden Verdichtung und schliesslich betreffend Vergünstigung von Wohnraum für wirklich Bedürftige. Investoren bringen Lösungen. Sie bauen – wenn man sie denn lässt – und liefern dem Markt und damit ihren künftigen Mieterinnen und Mietern, was diese nachfragen.»
«Investoren liefern dem Markt und damit ihren künftigen
Mieterinnen und Mietern, was diese nachfragen.»
Eine Ihrer NR-Kolleginnen (SP) warf Investoren und Immobilienfirmen kürzlich vor, sie würden «nur bauen, um eine möglichst grosse Rendite herauszupressen», während in Wohnbaugenossenschaften «Menschen für andere Menschen» bauen würden.
«Das ist Unsinn. Wohnbaugenossenschaften haben freilich ihre Berechtigung. Sie können aber bei weitem nicht alle Probleme lösen. So zu tun, als würde genossenschaftlicher und gemeinnütziger Wohnbau das Angebot überall, und vor allem auch in den Zentren, wo die Lage angespannt ist, für alle günstig verfügbar machen, ist Augenwischerei. Das Beratungsunternehmen Wüest Partner hat errechnet, dass in der Schweiz in drei Jahren rund 50’000 Wohnungen fehlen werden. Diesen Bedarf können Genossenschaften bei weitem nicht decken. Genossenschaftswohnungen bleiben dem allen zugänglichen freien Markt zudem weitestgehend entzogen. Das kann die Angebotsverknappung auch zusätzlich verschärfen. Der Immobilienmarkt und dabei der Wohnungsbau dürfen auch nicht nur aus der Perspektive der Sozialpolitik angeschaut werden. Als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind die meisten von uns über Vorsorgegelder in den Pensionskassen «Miteigentümer» von Renditeliegenschaften auf dem Markt. Eine Rendite ist nichts Unanständiges, sie schafft im Gegenteil Anreize für weitere Investitionen in neuen Wohnraum. Und ein grösseres Angebot reguliert und beschränkt im Wettbewerb auch die Preise.»
Warum soll es nicht gut sein, wenn die öffentliche Hand Wohnungen baut?
«Die – in aller Regel – vergünstigten Objekte sind einem kleinen Kreis vorbehalten und kommen gar nie auf den offenen Markt wo die Mehrheit der Menschen ihre Wohnung suchen. Wir benötigen einen liquiden, beweglichen Wohnungsmarkt. Lebensumstände und Bedürfnisse verändern sich, Menschen ziehen um und sie sollen auch dann wieder gute Angebote finden. Öffentlicher – und vergünstigter – Wohnbau schafft aber keine Bewegung im Wohnungsmarkt, er lähmt ihn.»
«Der Immobilienmarkt und dabei der Wohnungsbau dürfen nicht nur aus der Perspektive der Sozialpolitik angeschaut werden.»
Sie präsidieren seit dem 10. Mai den Verband der Immobilieninvestoren (VIS). Was ist zu tun? «Mieterinnen und Mieter sind unsere wichtigsten Kunden. Immobilieninvestoren wollen für sie jenen Wohnraum bauen und anbieten, den sie benötigen und auf dem Wohnungsmarkt nachfragen. Wenn wir das rasch und für Menschen mit verschiedensten Bedürfnissen tun sollen, dann müssten Behörden dazu übergehen, einige Hürden aus dem Weg zu schaffen. Das Beispiel des Kantons Zürich ist frappant: hier hat sich die Zeitspanne bis zur Erteilung einer Baubewilligung bei Grossprojekten in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt, nämlich von 184 Tagen auf 324 Tage. Liegt die Baubewilligung einmal vor, steht immer noch der Weg durch alle Instanzen an – mit Verfahrensdauern und Hürden, welche Projekte über Jahre verzögern – und gefährden – können. Vom Runden Tisch habe ich vor allem eine Zahl mitgenommen: In der Zeit zwischen 2016 und Februar 2023 hat die Zahl der erteilten Baubewilligungen in der Schweiz gegenüber 2016 um 27.9 Prozent abgenommen. Das macht uns Sorgen. Hier gilt es anzusetzen.»
Wie beurteilen Sie denn die derzeitige Situation auf dem Wohnungsmarkt?
«Ich will weder schönreden noch schwarzmalen. Die Schweiz ist ein gefragter und attraktiver Arbeitsmarkt. Sie ist nach wie vor ein begehrter Standort für Unternehmen, KMU’s wie internationale Firmen. Das soll so bleiben. Wir benötigen dringend ausländische Fachkräfte, aber die Zuwanderung erhöht die Nachfrage und verschärft logischerweise die Situation auf dem Schweizer Wohnungsmarkt. Wir müssen annehmen, dass die Migration in der nächsten Zeit kaum abnehmen wird. Über die letzten Jahre ist zudem der individuelle Flächenbedarf der Bevölkerung gestiegen. Wir können auch abschätzen, wie viele Wohnungen unter den heutigen Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren auf den Markt kommen werden: Es sind viel zu wenige, um die steigende Nachfrage angemessen abdecken zu können. Aber die starke Nachfrage ist auch eine grosse Chance, die wir nutzen wollen. Wir können für den Schweizer Wohnungsmarkt bedarfsgerecht bauen.»
… und die Wohnungsknappheit in den Städten beheben?
«Man muss realistisch sein: Günstiger Wohnraum beispielsweise für Familien mit mittlerem und unterem Einkommen entsteht nicht im grossen Stil in städtischen Kernzonen. Dort ist Bauen sehr teuer und mit zu vielen Auflagen behaftet. Es ist schlicht unmöglich, dass alle mitten in Basel oder Zürich eine besonders günstige Wohnung finden können. Auch deshalb müssen unsere Städte noch wachsen können: Schlieren oder Altstetten etwa sind heute attraktive und pulsierende Wohn- und Arbeitsgebiete, und man kommt in kürzester Zeit ins Zentrum der Stadt Zürich. Es gibt in vielen stadtnahen Agglomerationen modernen, nachhaltig gebauten und erschwinglichen Wohnraum. Der ist zudem hervorragend erschlossen. Und der Ausbau geht weiter: Eben haben wir im Parlament für neue Agglomerationsverkehrsprogramme über 1.6 Milliarden Franken gesprochen und wir werden in den kommenden Jahren weiter massiv in Schiene und Strasse investieren – denn bereits drei Viertel der Schweizer Bevölkerung wohnen in diesen Agglomerationen.»
«Es ist schlicht unmöglich, dass alle mitten in Basel oder Zürich eine besonders günstige Wohnung finden können».
Artikel 24 der Bundesverfassung gibt das Recht, «sich an jedem Ort des Landes niederzulassen».
«Zum Glück. Das soll so bleiben. Die Bedürfnisse von Wohnungssuchenden sind auch sehr unterschiedlich. Dieser Vielfalt können wir nur mit einem funktionierenden Markt gerecht werden. Das staatliche Erstellen und Zuteilen von Wohnraum sind deshalb genau die falschen Mittel. Der Staat sollte nicht weiter massiv intervenieren und den Markt noch weiter verknappen. So wird die Niederlassungsfreiheit mindestens indirekt eingeschränkt. Modernen Wohnraum in genügender Menge bereitzustellen obliegt Investoren und Unternehmern: Nur sie können und müssen das leisten – man muss sie aber auch machen lassen. Ohne private Investoren gibt es keinen Wohnungsmarkt.»
Was sollen denn Politik und Staat tun?
«Weniger! Es braucht attraktivere Rahmenbedingungen, damit rasch neue Projekte umgesetzt und zusätzliche Angebote geschaffen werden. Auf Bundesebene müssen wir dagegenhalten: Das Mietrecht muss gelockert und vereinfacht, nicht verschärft werden. Der Wettbewerb soll die Mieten auf einem vernünftigen Niveau halten, nicht staatliche Renditekontrollen und Mietzinsdeckelungen mit viel unnötiger Bürokratie. Weitere üppige Geldverteilung für subventionierten und gemeinnützigen Wohnungsbau torpediert dieses Ziel ebenfalls. Damit verdrängt der Staat private Investoren und Vermieter – notabene mit Steuergeldern, und verknappt das Angebot im Markt. Das ist keine gute Entwicklung. Auch ein Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand darf es keinesfalls geben, denn es führt ebenfalls dazu, dass Land und Wohnungen dem potenziellen Wohnungsmarkt entzogen werden. Es ist auch alles andere als klar, ob mit diesen staatlichen Interventionen die Unterstützung längerfristig bei den Menschen ankommt, die sie wirklich benötigen.»
«Die Bedürfnisse von Wohnungssuchenden sind sehr unterschiedlich. Dieser Vielfalt können wir nur mit einem funktionierenden Markt gerecht werden.»
«Auch die Lärmschutzverordnung stellt uns in ihrer heutigen Form vor Probleme. Ganze Siedlungsentwicklungen fallen ihr zum Opfer, weil die Vorschriften lebensfremd sind. Letztlich verunmöglicht sie in vielen Fällen den Zubau tausender neuer Wohnungen, für die schon heute eine Nachfrage im Markt besteht – und die übrigens gerade bei Ersatzneubauten gegenüber der bestehenden Situation sehr deutliche Verbesserungen bringen würden. Sie verhindert häufig, dass v.a. in den Zentren die raumplanerisch geforderte Verdichtung stattfinden kann.»
Was könnten Kantone und Gemeinden konkret tun?
«Auch im städtischen Bereich wäre weniger mehr: Ortsbildschutz, Bau- und Zonenordnungen und insgesamt hohe raumplanerische Auflagen führen mitunter dazu, dass keine Verdichtung erreicht werden und kein günstiger Wohnraum entstehen kann – obschon das geltende Raumplanungsgesetz genau dies vorschreibt. Das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung ISOS, also Ortsbildschutz für bewohnte Siedlungen, ist ein gutes Beispiel: Kantone und Gemeinden müssen das Inventar bei der Erarbeitung ihrer Planungen berücksichtigen, als wissenschaftlich erarbeitetes Instrument mit absoluter Gültigkeit. Solange auf der grünen Wiese gebaut wurde, war der Ortsbildschutz kein grosses Konfliktthema. Heute aber sollte in Gemeinden verdichtet gebaut werden – und es kommt logischerweise zu Kollisionen mit dem Ortsbildschutz. Wir müssen diese Vorschriften mit dem übergeordneten Bedarf nach geeignetem Wohnraum in Einklang bringen.»