Im März hat der Bundesrat die lange angekündigte Vernehmlassung zu einer Revision der Lex Koller eröffnet. Nationalrat Daniel Fässler, Präsident des Verbandes der Immobilien-Investoren VII, erläutert im Gespräch, dass dafür keine Notwendigkeit besteht.
Interview: Birgitt Wüst – Bild: Urs Bigler
IMMOBILIEN Business: Herr Fässler, weshalb beschäftigen sich Bundesrat und Parlament in letzter Zeit wieder vermehrt mit der Lex Koller?
Nationalrat Daniel Fässler: Das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG; Lex Koller) will die «Überfremdung des einheimischen Bodens» verhindern. Das Anliegen beschäftigt den Schweizer Gesetzgeber seit mehr als 50 Jahren, in den vergangenen Jahren aber wieder verstärkt mit protektionistischen Tendenzen. Noch vor wenigen Jahren diskutierten wir eine Aufhebung des Gesetzes. Mit der lauter werdenden Diskussion um Zuwanderung veränderte sich teilweise auch die Debatte rund um die Lex Koller. Es stellt sich die Frage, was höher gewichtet wird: allfällige national-konservative Forderungen oder die volkswirtschaftlichen Interessen.
Wie stellt sich der VII eine Weiterentwicklung der Lex Koller vor?
Der Schweizer Wohn- und Immobilienmarkt braucht einen übergreifenden Regulierungsansatz. Das eigentliche, oft unausgesprochene Ziel der Revision, mittels Ausschluss von Ausländern vom Markt eine Preissenkung bei Wohnimmobilien und Mieten zu erzielen, geht jedoch von falschen Kausalitäten und Zusammenhängen aus. Preise im Wohn- und Mietmarkt hängen primär von Angebot und Nachfrage ab. Wir bemühen uns darum, dass in der Debatte wieder der eigentliche Sinn und Zweck der Lex Koller dargelegt und in Erinnerung gerufen wird. Und wer diesen erkannt hat, sieht auch: Es braucht heute keine Verschärfung der Lex Koller. Der vorliegende Entwurf des Bundesrates stellt denn auch nicht die angekündigte Modernisierung dar. Es wäre vielmehr ein Rückschritt mit gravierenden Auswirkungen.
Waren denn die Liberalisierungsschritte nicht zu voreilig? Die Überhitzung des Immobilienmarktes stieg in dieser Zeit kontinuierlich …
Ein Verbot des Erwerbs von Gewerbeimmobilien in der Schweiz durch Personen im Ausland wurde vor 20 Jahren aufgehoben. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, für die Bereitstellung von Räumlichkeiten für schweizerische Produktions- und Dienstleistungsbetriebe auch ausländische Investitionen einzusetzen. Das hat sich als sinnvoll und für die Schweizer Volkswirtschaft förderlich erwiesen. Die geltende «Lex Koller» hat zudem – und da sind wir ja beim eigentlichen Grundgedanken des Gesetzes – eine gute Schutzwirkung für den Wohnungsmarkt. Höhere Mietpreise lassen sich nicht mit einem Verbot von ausländischen Investitionen in Gewerbeimmobilien vermeiden. Würden ausländische Investoren vom Kauf von Gewerbeliegenschaften ausgeschlossen, käme hingegen zahlreichen Projekten die wirtschaftliche Basis abhanden.
Der Bundesrat eröffnete am 10. März 2017 die Vernehmlassung zur Gesetzesrevision. Sie haben dessen Vorgehen auch schon als «kurios» bezeichnet …
Das ist es tatsächlich. Öffentlich angekündigt hatte die Regierung ihr Vorhaben im April 2015, dann im Verlauf des Jahres 2016 mehrmals aufgeschoben, und schliesslich wurde die Vorlage nun doch noch präsentiert. Der eigentliche «Trick» des Bundesrates liegt nun aber darin, dass die inhaltlich und gemessen an den Folgen für die betroffene Wirtschaft und die Investoren weitgehendsten und wichtigsten Änderungen lediglich «zur Diskussion gestellt» werden – nachdem sie in der Ankündigung vor zwei Jahren noch als wichtigste Bestandteile der geplanten Revision bezeichnet wurden. Dies scheint mir ein doch recht eigenartiges Vorgehen.Ich kann daraus nur schliessen: Die Verschärfungen überzeugen wohl weder das federführende Departement noch den Bundesrat. Der Versuch, Revisionspunkte als Optionen in die Vernehmlassung zu geben, obwohl diese vom Bundesrat explizit nicht vorgeschlagen werden, ist intransparent und fragwürdig.
Wie lautet Ihr Gesamturteil zur Vorlage?
Der Revisionsentwurf ist ausländerdiskriminierend und nicht vereinbar mit bestehenden Freihandelsabkommen. Der Versuch, die Lex Koller auf diese Weise zu «modernisieren», widerspricht dem für die Schweiz wichtigen Prinzip des freien Marktzugangs und schadet damit dem Produktions- und Dienstleistungsstandort Schweiz. Verschärfungen der Lex Koller würden nicht nur den Ruf der Schweiz als rechtssicheres und wettbewerbsfähiges Land schädigen. Sie hätten direkt auch negative Folgen für die gesamte Volkswirtschaft, namentlich für Schweizer Anleger, Versicherungen und Pensionskassen.
Der Bundesrat nimmt einen alten politischen Vorstoss zum Anlass, die Vernehmlassung zu eröffnen …
Eine Gesetzesrevision primär mit der nötigen Erfüllung eines Postulates zu begründen, ist sehr eigenartig – und dabei auch durchsichtig: Das Postulat wurde 2011 eingereicht. Es hätte, nachdem es im Dezember 2012 durch den Nationalrat angenommen wurde, rasch durch eine einfache Änderung der Verordnung (BewV) umgesetzt werden können. Eine Gesetzesrevision ist nicht erforderlich. Heute wird die verzögerte Umsetzung nun als Vorwand benutzt, um eine Teilrevision der Lex Koller zu begründen, in welcher die Kernvorhaben gleichzeitig lediglich «zur Diskussion» gestellt werden. Dies stellt die Glaubwürdigkeit des gesamten Vorhabens infrage.
Die «zur Diskussion» gestellten Erweiterungen sind ebenfalls nicht neu.
Nein, die Wiederunterstellung von Betriebsstätteliegenschaften war Gegenstand der Motion 13.3975 Badran, welche vom Parlament am 2. Juni 2014 abgelehnt wurde. Die Aufhebung der Möglichkeit des Erwerbs von Anteilen an börsenkotierten Immobiliengesellschaften und Einschränkungen beim Erwerb von Anteilen an Immobilienfonds durch Ausländer waren Gegenstand der Motion 13.3976 Badran, die gleichentags ebenfalls abgelehnt wurde. Folgerichtig und politisch erwünscht wäre, wenn der Bundesrat den Entscheid der Legislative respektiert hätte und nun nicht versuchen würde, diesen Entscheid des Parlament mittels einer neuen Revisionsvorlage kurzerhand umzustossen – zumal der Markt eindeutig keinen Bedarf für eine solche Verschärfung des Gesetzes signalisiert.
Worin liegen die Hauptprobleme der vorgebrachten Anliegen?
Die zur Diskussion gestellten möglichen Erweiterungen sind nicht sachgerecht und beruhen auf falschen Annahmen und Interpretationen. Ausländische Investoren spielen auf dem schweizerischen Immobilienmarkt kaum eine Rolle. Der Markt wird im Gegenteil durch einheimische Investoren dominiert. Es sind insbesondere Pensionskassen, Versicherungen und andere institutionelle Anleger, welche das Geld ihrer Begünstigten und Versicherten investieren müssen. Wegen der historisch tiefen Zinsen finden sie kaum Anlagen mit attraktiver Rendite. Der bestehende Anlagenotstand ist also hausgemacht. Ausländische Investoren kommen in diesem Marktumfeld kaum je als Käufer zum Zuge. Soweit es ausländische Investitionen gibt, haben diese keinerlei preistreibenden Einfluss auf die Mietmärkte. Im Geschäftsbereich hat die erhöhte Investitionstätigkeit der vergangenen Jahre zu einer Erhöhung des Flächenangebots geführt, sodass die Mietpreise für Büro-, Gewerbe- und Verkaufsflächen nun sinken. Und die Ursache für steigende Mietpreise im Wohnbereich ist nicht die angeblich zu lasche Lex Koller, sondern das stetige Bevölkerungswachstum, der steigende Flächenbedarf pro Person, die beschränkte Grösse der Bau- und insbesondere Wohnzonen sowie die noch ungenügenden Möglichkeiten des verdichteten Bauens. Schweizerische und – soweit überhaupt vorkommend – ausländische Investitionen in Rendite-Immobilien führen zu einer Ausweitung des Angebots und damit zu tieferen Mietpreisen.
Gerade dieses Argument wird von der Gegenseite heftig bestritten: Die Mietpreise würden weiterhin ansteigen.
Im Gegenteil – seit April 2015 hat sich die Marktsituation verändert. Der Markt bei den Geschäftsliegenschaften hat sich abgekühlt, im Wohnungsmietmarkt zeichnen sich teilweise ähnliche Tendenzen ab. Die nun in die Vernehmlassung gegebene Vorlage zeigt, dass der Bundesrat offenbar erkannt hat, dass es in obigen Punkten weder begründbaren Handlungsbedarf noch gute Argumente dafür gibt, in die Lex Koller integrierte Modernisierungen wieder rückgängig zu machen. Konsequenterweise ist daher auf die gesamte Teilrevision zu verzichten.
Eine verschärfte Bewilligungspflicht kurbelt die Bürokratie an – und damit die Kosten. Wie teuer kämen die zur Diskussion gestellten Erweiterungen?
Wegen der neu erforderlichen Bewilligungen würde die Revision zu erheblichem administrativen Aufwand für die Gesuchsteller und Behörden sowie zu erheblichen personellen Konsequenzen bei den Kantonen und Gemeinden führen. Diesbezügliche erste Schätzungen des Bundesrates halten wir für ungenügend und eindeutig zu tief angesetzt. Vor allem in den grösseren Kantonen ist mit einem deutlich stärker steigenden Personalaufwand zu rechnen. Gemäss der vom Bundesamt für Justiz eingeholten Regulierungsfolgenabschätzung von Fahrländer Partner AG vom 28. August 2015 führen die Massnahmen zu erheblichen, heute nicht bezifferbaren Regulierungskosten und zu Erklärungsbedarf gegenüber dem Ausland. Die Massnahmen werden darüber hinaus von Immobilienspezialisten klar als schädlich und wirkungslos erachtet. Der VII teilt diese Auffassung.
Neben dem Postulat Hodgers und den zur Diskussion gestellten Erweiterungen gibt es aber auch noch weitere – konkrete – Änderungsvorschläge?
Die Vorlage beinhaltet eine Reihe weiterer Vorschläge, die aber allesamt materiell keine Teilrevision rechtfertigen – und mitunter ebenfalls sehr gesucht respektive unnötig oder schädlich sind.
Das politisch wohl brisanteste Anliegen betrifft die Wiederunterstellung des Erwerbs von Hauptwohnungen durch Drittstaatenangehörige sowie die Wiedereinführung einer Veräusserungspflicht.
Seit dem Jahre 1997 benötigen aussereuropäische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz für den Erwerb einer Hauptwohnung keine Bewilligung mehr. Das heisst, sie können eine Hauptwohnung erwerben, ohne dass sie ein aufwendiges und zeitraubendes Bewilligungsverfahren durchlaufen müssen. Diese sinnvolle Regelung würde nun rückgängig gemacht. Somit würden zahlreiche unnötige Bewilligungsverfahren durchgeführt werden müssen. Die Veräusserungspflicht von Hauptwohnungen wurde im selben Jahr aufgehoben, um in die Schweiz ziehenden Ausländern zu ermöglichen, unkompliziert Wohneigentum zu erwerben und bei einem Wegzug wieder zu veräussern. Für EU-Staatsangehörige ist die Veräusserungspflicht unzulässig und wird vom Bundesrat deshalb zu Recht nicht vorgeschlagen. Die seitens Bundesrat dem Parlament beantragte Veräusserungspflicht für Drittstaatsangehörige stellt allerdings eine Diskriminierung dar und widerspricht gleichzeitig der Eigentumsfreiheit. Wir sind jedoch überzeugt, dass Offenheit und eine für die Schweiz stets hilfreiche und hier auch sachgerechte liberale Haltung obsiegen werden.
Welche Arbeit leisten Sie mit dem Verband der Immobilien-Investoren nun, um darzulegen, wie verfehlt solche Verschärfungen sind?
Der VII war sehr früh mit seiner Vernehmlassungsantwort bereit. Diese stösst auf grosses Interesse, gerade auch bei politischen Parteien und unseren Partnerverbänden, mit denen wir eng kooperieren. Wir führen denn auch zahlreiche Gespräche, um unsere Position zu erläutern und Fragen zur Lex Koller zu beantworten. Zudem stehen wir im Austausch mit den politischen Parteien. In der September-Session werden wir die dann vorliegenden Ergebnisse der Vernehmlassung analysieren und der Politik aufzeigen, welche Entscheide davon abzuleiten sind. Sobald dann der offizielle, durch das federführende Departement zu erstellende Vernehmlassungsbericht vorliegt, wird der Bundesrat entscheiden, ob er die Vorlage weiter verfolgen will oder nicht.