Daniel Fässler trägt verschiedene Hüte. Er ist CVP-Nationalrat und Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie, überdies Landammann und Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements von Appenzell Innerrhoden, Präsident des Verbandes der Immobilien-Investoren VII und ein engagierter Botschafter für seinen Kanton. Immobilia hat ihn in Appenzell besucht und sich mit ihm über die Lex Koller, Raumplanung, den Immobilienmarkt und die CVP unterhalten.
Foto Urs Bigler
_Spricht man mit Leuten hier in Appenzell über den Immobilienmarkt, so beklagen sie die hohen Bodenpreise. Ist Wohnen in Appenzell-Innerrhoden unerschwinglich?
_Nein, aber tatsächlich eine Herausforderung. Grund dafür sind hohe Bodenpreise und ein zu knappes Angebot. Eine Erklärung dafür ist die Baulandhortung der zumeist privaten Eigentümer. Viele sind vor ihrem bäuerlichen Hintergrund eng mit ihrem Land verbunden und wollen dieses gezielt weitergeben.
_Was machen Sie für Menschen, die günstigen Wohnraum suchen?
_Die buchstabengetreue Umsetzung des Rauplanungsgesetzes bereitet uns insofern Kopfzerbrechen, als wir in unserem Kanton wegen der eher schwachen Bevölkerungsentwicklung auf absehbare Zeit kaum neue Baulandreserven bilden können. Auszonungen und neue Instrumente sind daher kein Tabu. Ende Oktober hat der Grosse Rat eine Revision des Baugesetzes verabschiedet, das u.a. ein Kaufrecht des Kantons vorsieht. Das ist für hiesige Verhältnisse beachtlich. Auch gibt es Bestrebungen, gemeinnützigen Wohnraum zu initiieren. Doch die Suche nach Bauträgern ist schwierig. Die Wohnraumsituation und der wirtschaftliche Aufschwung führen dazu, dass wir immer mehr Zupendler verzeichnen. Gerade Mitarbeiter in den Wachstumssektoren Tourismus, Lebensmittel und Elektronik suchen lokalen Wohnraum.
_Warum ging der Aufschwung nicht mit einer erhöhten Bautätigkeit einher?
_Der Innerrhoder Wohnungsmarkt hat zu meinem Erstaunen zu spät reagiert, obwohl die Nachfrage nach Mietwohnungen schon lange gestiegen war. Es folgte schliesslich eine für unsere Verhältnisse rege Bautätigkeit, und nun verzeichnen wir die höchste Leerstandsquote der ganzen Schweiz. Das ist auch mit dem Gesetz der kleinen Zahl zu erklären. Positiv daran ist, dass die Preise stagnieren und Eigentümer von Altliegenschaften zu Investitionen motiviert werden.
_Damit sind wir beim Stichwort.
Sie sind Mitglied der Standeskommission, also der Exekutive des Kantons, Nationalrat und Verbandspräsident der Immobilieninvestoren. Sind die Interessen vereinbar?
_Ich habe aus meiner früheren Anwaltstätigkeit einen engen Bezug zur Immobilienwirtschaft. Dieser lässt sich gut von meiner politischen Tätigkeit für Appenzell Innerrhoden abgrenzen, da Immobilieninvestoren in unserem Kanton kaum aktiv sind.
_Wie bringen Sie alles unter einen Hut?
_Das Regierungsmandat in unserem Kanton ist kein Vollamt. Nachdem ich vor fünf Jahren in den Nationalrat gewählt wurde, beendigte ich meine Anwaltstätigkeit. In unserem Kanton ist es Usanz, dass ein Mitglied der Standeskommission in das nationale Parlament gewählt wird. Wir sind zu weit weg von «Bern» und zu klein für die laufende Kontaktpflege. Das Doppelmandat ist unser Draht nach «Bern» und unser Frühwarnsystem für alles, was auf den Kanton zukommt. Umgekehrt verschafft mir die Erfahrung als Regierungsrat im Bundesparlament auch ein besonderes Gehör.
_Immobilieninvestoren gelten landläufig als Spekulanten und Mietzinstreiber.Lassen sich die Ämter auch vor diesem Hintergrund vereinbaren?
_Genau mit diesem Bild der Investoren habe ich die Mitglieder vor meiner Wahl konfrontiert. Immobilieninvestoren haben effektiv ein Wahrnehmungs- und Imageproblem. Ich habe den VII während meiner Anwaltstätigkeit selber nie wahrgenommen. Immobilien und Investoren sind in der Bevölkerung zudem doppelt negativ besetzt. Dass es Investoren braucht, ist vielen nicht klar – auch im Parlament. Wir müssen also aufzeigen, wie tragend die Immobilienbranche für unsere Volkswirtschaft ist und welchen wichtigen Beitrag die Immobilieninvestoren für die Gesellschaft leisten. So wissen viele nicht, dass institutionelle Investoren vor allem Geld von Versicherten anlegen. Die Wahrnehmung zu ändern, ist eine Herkulesaufgabe. Ich habe im Wissen darum Ja gesagt, dass die Mitglieder diese Arbeit mit mir leisten wollen.
_Die Investoren sind erstmals im Zusammenhang mit der Debatte um die Lex Koller öffentlich in Erscheinung getreten. Warum gerade damit?
_2013 reichte SP-Nationalrätin Jacqueline Badran zwei Vorstösse für eine Verschärfung der Lex Koller ein. Durch ein Versäumnis der bürgerlichen Parteien und der Verbände passierten diese den Nationalrat oppositionslos. Das war ein Weckruf. Der Ständerat verwarf die Motionen in der darauffolgenden Session dann glücklicherweise klar. Aus der damals rasch entstandenen «Allianz Lex Koller bleibt modern» bildete sich die Überzeugung heraus, dass der VII als direkt betroffener Verband das Zepter übernehmen muss.
_Ist die angekündigte bundesrätliche Vorlage nicht eine Zwängerei?
_Dass der Bundesrat eine Vorlage zu präsentieren gedenkt, die das Parlament unlängst abgelehnt hat, ist tatsächlich befremdend. Auch ist das Vorgehen höchst kurios. Die Vernehmlassung war ursprünglich für 2014 angekündigt, dann für 2015 und wurde dann mit wenig überzeugenden Erklärungen auf Anfang 2016 und nun auf Ende Jahr verschoben.
_Was ist Ihre Erklärung?
_Es scheint so, als sei man sich im zuständigen Bundesamt, im Justizdepartement oder im Bundesrat uneinig.
_Sind Sie bzw. der Verband aktiv?
_Wir sind darauf vorbereitet, in der Vernehmlassung Position zu beziehen und andere Interessierte zu informieren und zu begleiten. Wir sind gut vernetzt und pflegen unsere Kontakte.
_Ins Departement?
_Es gibt ja auch andere Bundesräte, die der Vorlage zustimmen müssen.
_Wie verlässlich sind unsere bürgerlichen Bundesräte denn in Wirtschaftsfragen? Ich denke beispielsweise an die Verschärfung des Mietrechts aus dem Departement von Bundespräsident Johann Schneider-Ammann.
_Vorlagen werden in der Verwaltung erarbeitet. Der Bundesrat winkt viele durch, um mit einer Vernehmlassung den Puls zu fühlen.
_Warum ist das Thema Lex Koller überhaut auf der Agenda?
_Die Gesetze zum «Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland» – nach den jeweils zuständigen Bundesräten von Moos, Celio, Furgler, Friedrich und Koller benannt – sind ein Abbild ihrer jeweiligen Entstehungszeit. Noch vor wenigen Jahren stand eine Aufhebung zur Debatte, bis die SVP unter dem Einfluss der Zuwanderungsdiskussion schliesslich ins Nein-Lager wechselte. An der Lex Koller spiegelt sich auch die Grundsatzfrage, ob national-konservative Gesinnung über wirtschaftliche Interessen zu stellen sei. Dass die SVP nun deswegen eine Verschärfung unterstützt, glaube ich aber nicht.
_Gibt es berechtigte Anliegen zu einer Anpassung der Lex Koller?
_Ich bin in unserem Kanton zuständig für die Umsetzung der Lex Koller, alle Verfügungen kommen auf meinen Tisch. Ich sehe keinen Anpassungsbedarf. Ob man den Erwerb von Immobilienaktien durch Ausländer verbieten will, ist hingegen eine politische Frage. Dazu muss gesagt sein: Ein Verbot würde massiv in den Markt eingreifen und ignorieren, dass die Immobilienaktiengesellschaften am Wohnungsmarkt praktisch inexistent sind. Auch in Bezug auf die Betriebsstätten sehe ich kein Problem. Es gibt keinen Revisionsbedarf.
_Was wäre aus Sicht der Wirtschaft zu befürchten?
_Es ist nichts zu gewinnen durch eine Verschärfung. Darum wird die Wirtschaft eine Verschärfung mit allen Mitteln bekämpfen. Denn die Behauptung, der Schweizer Immobilienmarkt sei stark von ausländischem Kapital beeinflusst, ist schlicht falsch. Der Mietwohnungsmarkt wird nicht entspannter, Mietzinse nicht tiefer. Es würde aber weniger investiert, was am Gewerbeflächenmarkt den Wettbewerb behindern, das Angebot verschlechtern und nicht zuletzt die Preise antreiben dürfte. Negative Auswirkungen bekäme auch der Tourismus zu spüren: Ohne ausländische Investitionen sähe es um die touristische Infrastruktur schlecht aus.
_Der VII wird heute monothematisch wahrgenommen. Wollen Sie sich auch in anderen politischen Feldern engagieren?
_Wer im politischen Prozess eine Rolle spielen will, die seiner wirtschaftlichen Bedeutung angemessen ist, muss in «Bern» präsent sein. Der Aufbau einer Interessenvertretung braucht Zeit. Es wartet niemand auf eine neue Gruppierung. Wir müssen im Parlament, gegenüber den Medien und der Öffentlichkeit erst einmal die Bedeutung der Immobilienwirtschaft aufzeigen. So haben wir uns auch zur Volksinitiative des Mieterverbandes «für mehr bezahlbare Wohnungen» rasch und klar positioniert. Diese verzerrt den Markt und begünstigt wenige statt alle. Für solche Aufgaben gilt es den guten Kontakt zu HEV, SVIT, Bauen Schweiz und Entwicklung Schweiz noch zu stärken, damit wir die Interessen bündeln können.
_Warum berührt Sie die Initiative?
_Im Kanton wurde eine ähnliche Volksinitiative lanciert. Sie wurde bekämpft, und das Volk hat den Gegnern Recht gegeben. Wenn in einzelnen Städten oder Regionen Probleme bestehen, so muss man deswegen nicht gleich die ganze Schweizer Rechtsordnung über den Haufen werfen. Ich sage dies als überzeugter Föderalist, aber auch im Bewusstsein, dass die Tendenz im politischen Betrieb in diese Richtung geht. Das hat auch damit zu tun, dass viele Parlamentarier zu viele Vorstösse einreichen, um sich zu profilieren. Es herrscht permanenter Wahlkampf. Wenn nun der Staat verpflichtet wird, eine bestimmte Quote an gemeinnützigem Wohnraum zu erreichen, ist dies ein massiver Markteingriff, der nicht nur den Investoren, sondern der ganzen Immobilienwirtschaft nicht einerlei sein kann.
_Und in Bezug auf die Forderung, dass Programme der öffentlichen Hand zur Förderung von Sanierungen nicht zum Verlust von preisgünstigen Mietwohnungen führen dürfen?
_Ein Verbot von Mietzinserhöhungen nach öffentlich geförderten Sanierungen würde die Bestrebungen der Energiestrategie und des Gebäudeprogramms torpedieren. Eigentümer tätigen Investitionen, wenn sie diese auch amortisieren können. Die Intiative ist daher auch eine Investitionsbremse.
_Sie schreiben in Ihrem VII-Sessionsbrief von einer nachhaltigen Bodenpolitik und besseren Rahmenbedingungen. Was heisst das konkret?
_Der VII engagiert sich als Gestalter und Mitentwickler eines lebenswerten Schweiz. Wir benötigen eine Bodenpolitik, die Rechtssicherheit bietet und konsistent ist. Das Zauberwort in Folge des revidierten Raumplanungsgesetzes ist «Verdichtung». Diese Forderung findet pauschal breite Unterstützung. Wenn es aber um die Details und um die Umsetzung in den Kantonen und Gemeinden geht, wird es zäh. Ein eindrückliches Beispiel ist die Bau- und Nutzungsordnung der Stadt Zürich. Wer A – also Verdichtung – sagt, muss auch B – spricht mehr Geschosse und höhere Ausnutzung – sagen. Das braucht viel Kommunikation und Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung.
_Wir bauen in der Schweiz wegen hohen Auflagen sehr teuer. Steht das auch auf dem Radar?
_Damit sprechen Sie die Rahmenbedingungen an. Ja, es ist in der Tat so: Es wird zwar ständig von Liberalisierung gesprochen, faktisch sind wir aber überall daran, den Markt massiv einzuschränken.
_Ihre Mitglieder müssen sich vorwerfen lassen, dass sie in den letzten Jahren für mittlere und obere Preisklassen gebaut haben.
_Das mag zutreffen. Ich komme wieder auf die Rahmenbedingungen. Wenn man ein grösseres Areal entwickelt, ist der Staat von Anfang an Bord und schreibt Grünflächen, Erdgeschossnutzungen und dergleichen vor. Das sind Faktoren, die den Bau verteuern und über rentablere Mietflächen «subventioniert» werden müssen.
_Sie sind ein Befürworter der Energiestrategie 2050. Wie steht der Verband dazu?
_Wenn sich der VII gegen die Energiestrategie 2050 aussprechen würde, wäre ich im Dilemma. Ich stand der Energiestrategie ursprünglich kritisch gegenüber. Die jetzige Vorlage ist nun aber eine vertretbare Antwort auf die Tatsache, dass die Kernkraftwerke irgendwann vom Netz gehen werden. Wer, wenn nicht die Mitglieder des VII wären in der Lage, Vorzeigeprojekte der Effizienzsteigerung zu realisieren?
_Das heisst doch aber letztlich, dass die Baukosten und damit die Mieten steigen.
_Geht man von steigenden Lenkungsabgaben aus, zahlen sich Investitionen in die Energieeffizienz auch für die Mieter aus.
_Sie gehören der CVP an.
Bei Ihrer Partei ist oft nicht klar, wo das Herz in Sachen Bauen, Wohnen und Miete schlägt.
_Das ist ein Vorurteil.
_Korrigieren Sie mich.
_Die CVP ist ein verlässlicher Partner in Immobilienfragen für Investoren und Hauseigentümer. Wir unterstützen vielleicht nicht alles, was die Eigentümer fordern. Aber HEV-Präsident Hans Egloff weiss sehr wohl, dass er in der CVP wichtige Unterstützung hat. Die Formularpflicht z.B. haben wir zusammen mit dem HEV erfolgreich bekämpft.
_Aber in der Kommission tönte dies nicht so.
_Das sehe ich anders. Die CVP-Vertreter gehörten jedenfalls nicht zur Minderheit der Kommission, die auf dieses Geschäft eintreten wollte. Es gab aber Stimmen, die auf die Vorlage eintreten wollten, um das Mietrecht vermieterfreundlicher zu machen. Im Gros ist unsere Partei viel bürgerlicher, als sie heute dargestellt wird.